Corona – wie prägen wir unsere Kinder?

Ich erinnere mich noch an den Kinderfastnachtsumzug im Februar – eine Zeit, in der das Corona-Virus vermeintlich noch auf einem anderen Kontinent dominierte. Die Klasse meiner Töchter sollte einheitlich beim Umzug mitlaufen und ich war mittendrin, einen Kinderwagen voller Süßigkeiten durch die Gassen schiebend. Während ich mich unter der pinken Perücke kratzte, bekam ich auf einem Ohr mit, wie ein Mädchen, acht 8 Jahre alt, plötzlich rief: „Vorsicht, ein Chinese! Corona!“ Leichte Verunsicherung der Kinder um sie herum. Doch da schob sie sich schon lachend das nächste Bonbon in den Mund. Den anderen Kindern war Corona noch kein Begriff und mit vor Zuckermasse verklebten Zähnen, konnten sie auch keine vernehmlichen Rückfragen stellen. Interessant, dachte ich bei mir. Dieses Mädchen übernahm in den kommenden Wochen vermutlich die Aufklärung der gesamten Grundschule. Auf eine recht dramatisch-emotionale und weniger sachliche Art und Weise. Man rekonstruiert gedanklich natürlich sofort die familiäre Kommunikation, die das Mädchen prägt.

Prägende Zeit

Wie möchte ich meine Kinder prägen in dieser Zeit, die stark beeinflusst wird von den drastischen Vorsichtsmaßnahmen zur Eindämmung einer Ansteckung mit dem Corona-Virus? Eine Zeit, in der man Angst hat verpfiffen zu werden, wenn man auf der Straße Freunde trifft und überglücklich ein paar Worte wechselt. Eine Zeit, in der man als Familie angepöbelt wird, dass man nur zu zweit unterwegs sein darf. Ich bin sicher, jeder hat seine eigenen kuriosen Corona-Geschichten. Schreibt sie auf, für eure Enkel.

Meine Pandemie-Angst-Phase hatte ich bereits Ende Februar, daher war der Lockdown im April emotional kein großer Schuh für mich. Ich hatte mich innerlich schon überwiegend eingependelt auf „Gottvertrauen“ und „Dankbar-weiter-leben“. Und so war für mich schnell klar: Für meine Kinder möchte ich das Beste aus dieser Zeit rausholen. Meine Kinder lernen jetzt hautnah an meinem Vorbild, wie ich mit einem angstbesetzen Thema wie Corona umgehe. Eine tolle Chance! Sie sollen sich insgesamt an eine gute „Corona-Zeit“ erinnern.

Also haben wir erstmal unseren Eis-Vorrat aufgestockt, die Zimmer nach Lust und Laune umgestellt, Balkon-Konzerte veranstaltet, Postkarten geschrieben, unzählige Abenteuer-Ausflüge in die Natur unternommen, neue Spiele besorgt und Kino-Abende veranstaltet. Wir haben den Corona-Live-Ticker blockiert und in den gesetzten Grenzen gefeiert — nach dem Motto: Kreativität gegen Bore-Out. Dankbar für jeden gesunden Tag.

Muttersein gehört fett unterstrichen

Wobei ja der Begriff Bore-Out (Gegenteil von Burn-Out) bei Eltern – und insbesondere bei Müttern — nur für ein müdes Lächeln sorgen kann. Ich denke vor allem an meine Freundinnen, die berufstätig sind und aktuell die völlig wahnsinnige Aufgabe haben, Home-Office und Home-Schooling unter einen Hut zu bringen. Es klingt ja eigentlich wie das perfekte Paar. Ich denke an meine Freundinnen, die um ihren Job fürchten müssen. An Freundinnen mit einem Einzelkind, dem die Spielpartner gesetzlich gestrichen wurden. Für manche Familien ist es schwerer, Gutes aus dieser Corona-Zeit zu schaffen.

Und, by the way, „Home“ klingt auch nicht mehr nach dem, was es mal war, wenn man plötzlich Mutter, Spielpartnerin, Lehrerin zugleich ist, während die Zoom-Konferenz auf mute mitläuft. Kochen, putzen, waschen, wischen, einkaufen on top. Ich finde Muttersein gehört mal wieder fett unterstrichen und durchbuchstabiert. Ohne Mutti läuft der Laden nicht!

Wenn du zu den glücklichen Familien gehörst, bei denen der Laden läuft, kannst du vielleicht mit deinen Spuren zu guten Erinnerungen an diese Zeit beitragen. Gerade in dieser Zeit. Gerade im Leben von Kindern, denen maximale Hygiene-Standards eingeprägt werden, soziale Distanz, Abstands-Regeln, Vorsicht, Unsicherheit. Lasst uns Räume öffnen, in denen Kinder Kinder sein dürfen. Ist es nicht so, dass wir mit Bewunderung auf Menschen in der Geschichte schauen, deren Menschlichkeit sich nicht hinter Angst versteckt hat. Wo liegen unsere Möglichkeiten? Was ist unser höchstes Gut?

Machen wir das Beste draus.

Ich wünsche euch noch eine gute Mischung an Lebensfreude, Geduld und kreativen Lösungen für Krisenzeiten.

Johanna Walter

Johanna Walter liebt ihren Mann und ihre drei Kinder. Sie ist Sozial- & Religionspädagogin, Musikerin und Autorin. www.johannawalter.de

„Unsere Bekannten schlagen ihre Kinder! Was kann ich tun?“

Zunächst einmal möchte ich Sie in Ihrer Aufmerksamkeit für Ihr Umfeld bestärken. Kinder und Jugendliche sind darauf angewiesen, dass die Gesellschaft genau hinschaut, wenn ihnen Gewalt angetan wird. Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Es ist verboten, Kinder zu schlagen.* Dazu gehören übrigens auch der berühmte „Klaps auf den Hintern“ oder die „Backpfeife“. Dabei handelt es sich nicht um harmlose Erziehungsmaßnahmen, sondern um Gewalt.

Eltern müssen aufgeklärt werden

Dass Eltern ihren Kindern Gewalt antun, hat mannigfaltige Ursachen. Manch einer weiß gar nicht, dass er Unrecht begeht, wenn ihm „die Hand ausrutscht“. Hier ist Aufklärung notwendig!

Gleichzeitig entsteht Gewalt zumeist dann, wenn Eltern sich nicht anders zu helfen wissen. Kinder können in manchen Entwicklungsphasen sehr fordernd, für manche überfordernd sein. Wer Stress und Sorgen im Job hat, verliert nach einem langen Arbeitstag vielleicht schnell die Geduld, wenn das Kind zu Hause nicht das tut, was es soll. Auch Konflikte in der Partnerschaft können belasten. Ich bin sicher: Niemand schlägt sein Kind mit reinem Gewissen.

Was Sie tun können

Suchen Sie bei einer guten Gelegenheit das Gespräch mit den Bekannten. Machen Sie deutlich, dass Schläge inakzeptabel sind und das Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und ihren Kindern zerstören. Vielleicht ergründen Sie, warum die Kinder gewaltvoll gezwungen werden, zu „gehorchen“. Bieten Sie Ihre Hilfe an oder machen Sie auf Hilfsangebote aufmerksam. Bei den Elternkursen des Kinderschutzbundes „Starke Eltern – Starke Kinder“ beispielsweise lernen Eltern, mit konfliktbehafteten Situationen anders umzugehen als mit Gewalt. Und sie lernen, dass in der Erziehung das „Gehorchen“ der Kinder nicht an allererster Stelle stehen sollte.

Sind die Eltern nicht zugänglich und reagieren abweisend, informieren Sie das Jugendamt. Das ist auch anonym möglich. Und immer gilt: Sollten Sie das Gefühl haben, dass die Kinder sich in akuter Gefahr befinden, verständigen Sie die Polizei. In so einer Situation können Sie nichts falsch machen – außer, gar nicht zu handeln.

Cordula Lasner-Tietze ist Bundesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes. Sie hat selbst Elternkurse im Rahmen von „Starke Eltern – Starke Kinder“ geleitet und Trainer*innen ausgebildet.

* In Deutschland und Österreich ist das Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung gesetzlich festgelegt, das Schlagen von Kindern somit strafbar. In der Schweiz fehlt (noch) ein klare gesetzliche Regelung.

Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift Family erschienen.