„Das schaffst du doch mit links!“ Linke Hand – rechte Hand
Ein Interview mit der Psychotherapeutin Dr. Johanna Barbara Sattler zu der Frage, ob Kinder, die mit der linken Hand malen, essen und basteln, dies genauso geschickt können wie ihre rechtshändigen Freundinnen und Freunde.
Ab welchem Alter können Eltern erkennen, ob ihr Kind Rechts- oder Linkshänder ist?
Bei manchen Kindern sieht man es schon sehr früh. Bei den meisten klärt es sich bis zum Alter von drei bis vier Jahren. Wenn es bei einem Vierjährigen noch nicht klar ist, sollte man mit dem Kinderarzt sprechen, was die Gründe dafür sein könnten. Bei diesen Kindern gibt es manchmal auch motorische Probleme oder Auffälligkeiten. Dann ist es sinnvoll, therapeutisch einzugreifen.
Manche Eltern, deren Kind häufig die linke Hand benutzt, hoffen, „dass sich das noch gibt“. Ist diese Hoffnung berechtigt?
Bei Linkshändern ist die gegenüberliegende, also die rechte Gehirnhälfte motorisch dominant, sie gibt die stärkeren Signale. Eltern sollten nicht versuchen, das Kind zur Benutzung der rechten Hand anzuregen oder es gar umzuschulen. Denn wenn ein Kind in die falsche Händigkeit kommt, kann das negative Auswirkungen haben wie Konzentrationsstörungen oder Lernschwierigkeiten. Deshalb sollten Eltern nicht versuchen, das Kind zu beeinflussen. Wenn die Händigkeit unklar ist, sollten sie zum Beispiel das Besteck mittig in den Teller legen und dem Kind die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, welche Hand es nimmt.
Und wenn Eltern sicher sind, dass das Kind ein Linkshänder ist?
Dann sollten sie das Glas oder Besteck auf die linke Seite legen oder stellen. Damit verhindern sie, dass das Glas umfällt oder dass der Ärmel immer durch die Suppe geht. Außerdem sollten sie rechtzeitig auf eine lockere Mal- und Schreibhaltung bei ihrem Kind achten. So helfen sie dem Kind, dass es später nicht über das gerade Geschriebene wischt und dass es den Text gut lesen kann und nicht mit der Hand verdeckt. Dazu gibt es für linkshändige Kinder auch vorbereitende Kindergruppen, die seit der Coronapandemie auch online angeboten werden.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Linkshänder und Linksfüßer?
Was wir mit den Händen und was wir mit den Füßen tun, ist grundlegend unterschiedlich. Füße brauchen Gleichgewicht. Um mit einem Bein zu schießen, muss man auf dem anderen Bein gut stehen können. Deshalb kommt es oft vor, dass ein Kind, das eigentlich linkshändig ist, mit dem rechten Fuß schießt – und umgekehrt.
Sollten Eltern die ErzieherInnen im Kindergarten auf die Linkshändigkeit hinweisen?
Ich würde nachfragen, wie sie mit Linkshändern umgehen und ob sie Linkshänder-Scheren haben. Es ist auch wichtig, dass das Kind beim Essen und Basteln nicht rechts von einem Rechtshänder sitzt, sonst kommen sich die beiden in die Quere.
Interview: Bettina Wendland
Dr. Johanna Barbara Sattler leitet die erste deutsche Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder.
Dieser Beitrag ist zuerst in der Zeitschrift Family erschienen.
Medientipps
www.linkshaender-beratung.de
Mein Linkshänder-Starterset (Auer Verlag): Die Box enthält Anspitzer, Schere, Stifte-Grips, Schreibtischvorlage und Elefantenrüssel als Abstandhalter für das Schreibenlernen in der Kita sowie ein Heft mit Infos zur Linkshändigkeit.
J. B. Sattler: Schreibvorübungen für Linkshänder mit Jobasa (Auer Verlag): Das Buch hilft linkshändigen Vorschulkindern, eine lockere Schreibhaltung zu entwickeln.